Beim Bunkerfest wird hörbar, was sonst hinter dicken Mauern schallt
Höchst. Es ist ein Fest der Generationen, das Bunkerfest an der Leunastraße.
Auf den Bänken vor der Bühne sitzen Rocker mit angegrauten Schläfen, in einer Ecke rauchen langhaarige Halbwüchsige, zwei Jungen spielen an einem Tisch mit ihren Sammelkarten. Manche Bands haben gleich ihre ganze Familie mitgebracht. Schon jetzt, am späten Nachmittag, sind die Bankreihen voll besetzt.
 
Zumal es diesmal auch einen besonderen Grund zum Feiern gibt:
Seit nunmehr 20 Jahren treten Bands aus Höchst und Umgebung vor dem
Leuna-Bunker auf. Am Anfang war das alles ganz spontan“, erinnert sich Hans-Dieter Bock, den hier alle nur „Hö-Ky“ nennen. „Wir haben im Bunker geprobt und uns gedacht: Warum nicht auch mal draußen spielen?“ Inzwischen ist „Hö-Ky“ nicht mehr als Musiker dabei, sondern hilft im Vorstand des Trägervereins „Kulturbunker Höchst“  hinter den Kulissen mit.

Auf der Bühne stehen in diesem Jahr MASD, Notaufnahme, Gum, Sweet Thursday, Suntana und Feist. Die Musik reicht von Hard Rock über Trash bis zu Folk und Hip-Hop – und ist in jedem Fall „handgemacht“.

Und noch etwas haben die Bands gemeinsam: Sie proben im Höchster Bunker,
nur die Hip-Hopper MASD stammen aus Heddernheim. in den vergangenen Jahren
hat sich der Leuna-Bunker verändert. Stadt und Trägerverein haben das Innere
des Gebäudes saniert, Räume wurden zusammengelegt, heute gibt es Rauchmelder und Notleuchten.

Vor allem Musiker nutzen die 47 Räume zwischen 16 und 35 Quadratmetern,
aber auch einige bildende Künstler und Fotografen arbeiten hier.
 „Jeder kann in seinem Raum tun, was er will – solange er niemanden stört“,
sagt Thomas Rink, Vorsitzender des Trägervereins.

Dank der dicken Mauern dringt kaum Musik nach außen, im Gegensatz
zur heimischen Übungsgarage können die Bands hier auch spätabends noch spielen.
Auch Rink probt im Bunker, der 50-Jährige fällt unter den anderen Rockern kaum auf –
mit seinen Röhrenjeans, dem lässigen Hemd und den langen Haaren.
Später am Abend wird er mit seinem Schlagzeug bei der Jam Session
mitmachen und das Bunkerfest ausklingen lassen.

Jens Koch hat den Auftritt mit seiner Band „Notaufnahme“ schon hinter sich. Er mischt sich gerade unter die Zuschauer und gönnt sich ein Bier. Seit acht Jahren probt er nun im Leuna-Bunker, er schätzt die zentrale Lage. Denn: „Proberäume in Frankfurt zu finden ist schwierig.“ Schon lange wollte er eigene Lieder spielen, im Höchster Bunker hat er gleichgesinnte Musiker gefunden. Beim Bunkerfest traten sie erstmals in der aktuellen Besetzung auf: „Ein Heimspiel.“

Auf der Bühne rockt schon die nächste Band, Gum. Sänger Said Khochsima feuert das Publikum an, mit „Hey“ und „Alright“.  Den Gitarristen treibt er zu Solo-Einlagen an. „Viel Spaß noch“, ruft er dann den Zuschauern zu. Die haben schließlich noch einiges vor sich:
Die Bands dürfen in diesem Jahr bis 23 Uhr spielen – schließlich ist es ein Jubiläumsfest. (fk)

 

Frankfurter Rundschau vom 14.08.06
"Klassentreffen mit Kultstatus"
Beim Open-Air-Konzert am Höchster Bunker versammelt sich
die lebhafte Musikszene des Frankfurter Westens


Rocken vor ungewöhnlicher Kulisse: Beim Open-Air-Konzert am Leunabunker spielten am Samstag sieben Bands. Es war die 20.Auflage des Festivals, das "inzwischen Kultstatus erreicht hat", wie der Veranstalter Thomas Rink sagt.

HÖCHST- "Gum" ist englisch und heißt Gummi oder Kleber. Beides trifft auf die gleichnamige Frankfurter Band zu. Denn Gitarrist Hardo Pfeiffer zeigte, wozu Finger an den Saiten fähig sein können. Bei den melodiösen Rocknummern der vierköpfigen Gruppe klebten denn auch die Blicke förmlich auf den Händen und Instrumenten. Verschrieben haben sich die Musiker auf "Progressive-Rock", Frontsänger Tom Rudek erklärt das so: "Es geht nicht nur um harte und krachende Musik, aber sie soll schon voran gehen." Voran ging es bei "Gum" vor dem Bunker in der Leunastrasse mit Stücken von Iron Maiden und Pink Floyd.

Die Gruppe war in diesem Jahr zum ersten Mal beim Open-Air-Konzert in Nachbarschaft zum Industriepark Höchst dabei. Thomas Rink, Veranstalter des Festivals und Vorsitzender des Vereins Kulturbunker Höchst (KBH), hatte in diesem Jahr sieben neue Bands für den Gig gewonnen.

Mit dabei war alles von Hip-Hop bis Heavy Metal. "Zum Jubiläum des Fests wollten wir einen Querschnitt aus 20 Jahren Musik aus dem Bunker bieten", sagt Rink. Viele lokale Bands, die heute auch über die Grenzen Frankfurts bekannt sind, hatten im Bunker einen ihrer ersten Auftritte. "Das ist inzwischen wie ein Klassentreffen mit Kultstatus", fügt Rink hinzu.
Fast jede Band, die einmal im Bunker geprobt hätte, ließe sich bei den Konzerten blicken.

So wie die Gruppe "Notaufnahme", die über die Jahre fester Bestandteil des Bühnenprogramms geworden ist. Die Band um den langhaarigen Sänger Jens Koch spielte hausgemachten Rock mit deutschen Texten. "Die machen gute Musik, auch wenn das nicht so meine Richtung ist", meint der 17-jährige Nils. Zusammen mit seinen Freunden war er gekommen, um sich "gute Musik anzuhören". Im Hinblick auf ihre schwarzen Lederjacken und Nietenarmbänder verraten sie, dass sie selbst vor kurzem eine Band gegründet haben. "Deshalb wollten wir uns mal die alten Herren anschauen", meint Nils augenzwinkernd.

Vielleicht gehören die drei Jugendlichen bald zum Nachwuchs, der im Leunabunker regelmäßig Musik macht. "Wir haben inzwischen fast 50 Proberäume im Bunker eingerichtet", so Rink. Bands und bildende Künstler können für fünf Euro Monatsmiete pro Quadratmeter nach Lust und Laune ihre Kreativität ausloten.

Bis der Leunabunker jedoch als Kultureinrichtung fest etabliert war, mussten die Räume in jahrelanger Eigenleistung saniert werden. "Es war ein mitunter harter Kampf mit der Stadt", erinnert sich Rink.

Der Veranstalter will junge Musiker weiterhin fördern und ihnen Platz zum Spielen geben.
"Es ist spannend zu sehen, wie die dann vom ersten schiefen Ton im Proberaum bis zur Bühne beim Open-Air-Konzert entwickeln", erzählt Rink. Und dann auch irgendwann ihre Finger bewegen, als wären sie aus Gummi.                                               MARKUS BULGRIN